Im Dividenden-Blog wird die Frage diskutiert, wie hoch tatsächlich das Vermögen für die finanzielle Freiheit sein muss. Dabei kritisiert der Autor, dass wir uns das Ergebnis gern schön rechnen, weil wir Inflation und Steuern ausblenden. In der Realität sei das erforderlicher Vermögen viel größer als die meisten Annehmen. Doch ist die Frage nach dem Vermögen überhaupt relevant, um das Ziel der finanziellen Freiheit und Unabhängigkeit zu erreichen? Ich behaupte, es gibt zwei deutlich wichtigere Fragen. Nur wer diese Fragen für sich ehrlich beantwortet, kann überhaupt langfristig ein Vermögen aufbauen.

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Zwar hast der Autor recht damit, dass sich Inflation und Steuern auf das Ergebnis auswirken. Nicht recht hat er aber mit der Frage nach der höhe des Vermögens. Ich behaupte, sie ist weder relevant noch sinnvoll, um das Ziel der finanziellen Freiheit zu erreichen. Wer dieses Ziel wirklich erreichen will, der sollte sich ganz andere Fragen stellen.

Warum die Höhe des Vermögens unwichtig ist

Der Grund: Die Höhe des Vermögens ergibt sich aus den definierten Größen „Einkommen“ und „Verzinsung“. Damit ist die Höhe des Vermögens direkt abhängig von meinem Lebensstandard und von Faktoren wie Zinsen für die Spareinlage, Dividenden, der Inflation oder den Steuern. Allerdings lässt sich von all diesen Größen langfristig kaum eine überhaupt beeinflussen. Sie sind extern durch die Politik, durch Profitabilität der Unternehmen und der richtigen Auswahl abhängen. Damit macht es gar keinen Sinn sich über diese Höhe Gedanken zu machen.

Natürlich wird die Höhe des Vermögens später einmal entscheiden, ob wir unser Ziel erreicht haben, weil es die entscheidende Größe für unser passives Einkommen ist. Allerdings können wir heute noch gar nicht wissen, welche Höhe später wirklich notwendig sein wird.

Wir begeben uns mit dieser Frage also vielmehr auf dünnes Eis und folgen den typischen Prognosen, die eher Kaffeesatz-Leserei gleichen. Oder weißt du wirklich, wie hoch die Inflation in den nächsten 20 Jahren sein wird? Wie hoch die Steuern auf Kapitaleinkünfte sein werden? Ob es eine Vermögenssteuer geben wird?

Welche Fragen du jetzt wirklich beantworten solltest

Vielmehr macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, welche Ausgaben wirklich erforderlich sind, um finanziell frei zu sein. Denn unsere Ausgaben und täglichen Kosten entscheiden darüber, wie hoch unser passives Einkommen später einmal sein muss. Um Finanziell unabhängig zu sein, müssen diese fixen und variablen Kosten zumindest gedeckt sein. Die finanzielle Freiheit definiert dann die Verfügbarkeit zusätzlichen Einkommens über dieses notwendige passive Einkommen hinaus.

Zusätzlich macht es Sinn diese Ausgaben in Relation zum Einkommen zu betrachten. Dafür gibt es eine einfache Formel, die Early Retirement Extreme schon vorgestellt hat. Sie besteht nur aus zwei Kenngrößen: Der Sparquote und dem erwarteten Zins bei der Auszahlung.

1 – Sparquote
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Sparquote * Zins

Wenn man also 20 Prozent von seinem Nettoeinkommen spart und später eine Verzinsung seines Kapitals von 5 Prozent annimmt, dann ergibt sich aus der Formel: (1-0,2) / (0,2*0,05) = 80 Jahre bis zur finanziellen Unabhängigkeit. Diese Formel berücksichtigt natürlich noch nicht die Verzinsung während der Ansparzeit, sondern nimmt den schlimmsten Fall an: Keine Verzinsung während der Ansparzeit (was auch einer Inflationsrate auf Höhe des Zinsniveaus entspräche). Im Beispiel wären wir also nach 80 Jahren Sparen finanziell unabhängig und in der Lage die gesamten Ausgaben aus passivem Einkommen zu bezahlen. Damit lässt sich schon relativ schnell sehen, dass „Wenig-Sparer“ kaum eine Chance haben, zu Lebzeiten wirklich ein ausreichendes Vermögen aufzubauen. Wer hingegen 50 Prozent seines Einkommens sparen kann, der benötigt maximal 20 Jahre bis zur finanziellen Unabhängigkeit.

Wenn man diese Formel berücksichtigt, dann ergeben sich ganz andere Fragen, die viel wichtiger sind:

  1. Wo hoch muss meine Sparquote sein?
  2. Wieviel Zeit benötige ich, um finanziell frei zu sein?

Diese Fragen beantworten dann auch, ob man über seine Verhältnisse lebt (und sich damit am eigenen Ziel abhält). Wenn ich 1.000 Euro zum Leben brauche und 3.000 Euro verdiene, sind die Millionen leicht zu erreichen, weil zwei Drittel vom Einkommen gespart werden können. Aber wenn ich nur 1100 Euro verdiene, ist es sehr schwer, wirklich finanziell frei zu werden. In dieser Situation muss man sich Fragen, ob man wirklich die 1.000 Euro ausgeben muss und: Ob man irgendwie seine Einnahmen-Situation verbessern kann. Das sind Faktoren, die man selbst beeinflussen kann.

Wie lässt sich die Sparquote verbessern?

Allein die Sparquote lässt sich durch mehrere Faktoren optimieren. Zum Beispiel wenn man die Kosten berücksichtigt. Dabei kann schon ein Blick in das Haushaltsbuch helfen, um sich hier eine Übersicht zu verschaffen.

  • Kosten der Unterkunft (Höhe der Miete)
  • Transportkosten (Entfernung zur Arbeit, Wahl des Transportmittels)
  • Kosten der Freizeitgestaltung
  • Höhe der Nebenkosten für Strom, Telefon, Internet, Fernsehen

Aber auch das Einkommen selbst lässt sich womöglich beeinflussen:

  • Ist ein Wechsel in einen besser bezahlten Job sinnvoll und möglich?
  • Kann eine Gehaltserhöhung verhandelt werden?
  • Gibt es Job-Angebote, die näher am Wohnort liegen?
  • Kann ein zusätzliches Standbein in der Selbständigkeit aufgebaut werden?
  • Ist ein zusätzlicher Nebenjob möglich?

Die Frage nach der Höhe des benötigten Vermögens lenkt ersteinmal nur ab und verstellt die Sicht auf das Wesentliche. Dies lässt sich schon einfach damit beweisen, dass selbst am Ende der Zins noch immer weitgehend flexibel ist. Nimmt man nur klassische Dividenden-Aktien liegt hier die Auswahl zwischen 1 Prozent und 10 Prozent Dividenden-Rendite. Betrachtet man Rentenversicherungen, unterscheidet sich die Rendite ebenfalls enorm. Auch vermietete Immobilien können einen ganz unterschiedliche Mietrendite erreichen. Schon allein mit der Wahl des Dividenden-Depots oder der Anlageform kann sich damit die Höhe des erforderlichen Vermögens leicht um Faktor 10 unterscheiden. Warum sollen wir uns hier also schon vorher festlegen? Je mehr, desto besser.

Lass dich also nicht von der Höhe des Einkommens entmutigen. Wichtig ist es, den ersten Schritt zu tun und sich mit jedem weiteren Schritt ein höheres Vermögen aufzubauen und näher an sein Ziel zu kommen. Frage dich jetzt, ob du dein Leben so gestaltest, dass dein Ziel überhaupt erreichbar wird.

4 KOMMENTARE

  1. Die schönste Rechnung wird spätestens dann über den Haufen geworfen, wenn man auf die Idee kommt eine eigene Familie zu gründen.

    Mich hat das fünf Jahre gekostet. Statt wie geplant mit 35 konnte ich erst mit 40 Jahren aufhören zu arbeiten…

    • Das steht mir noch bevor. Ich erhoffe mir durch eine Familie aber auch gewissen „Synergie-Effekte“. Wenn du aber trotzdem mit 40 schon dein Ziel erreichen kannst — dann RESPEKT von mir. Das schaffen nur die wenigsten. Ich persönlich denke sowieso, jeder, der vor der gesetzlichen Rente „aussteigen“ kann, hat hier einen großen Vorsprung.

  2. Hallo Rico,

    ich fürchte, wenn Du Faktoren wie Inflation und Steuern als zwar vorhanden, aber (da nicht exakt vorhersehbar) als unwichtig betrachtetst und Dich nur auf Deine Sparquote und auf die Zeit konzentrierst, die Du bis zur finanz. Freiheit benötigst, könntest Du Dich u.U. verkalkulieren.

    Nimm einfach mal Deine eigenen Beispiele, um zu sehen was passieren kann: Bei einer Sparquote von 50% und einem Zins von 5% brauchst Du also ca. 20 Jahre bis zur finanziellen Freiheit. Du verbrauchst und sparst also (wieder mit Deinem Beispiel) 20 Jahre lang jeden Monat jeweils 1000 Euro. Und kannst dann nach 20 Jahren allein von den 5% Zinsen auf das Sparkapital leben.

    Das funktioniert aber leider eben auch nur dann, wenn Du davon ausgehst, dass es in den 20 Jahren keine Inflation gegeben hat!
    Ansonsten wirst Du nach 20 Jahren sehen, dass Du von Deinen 1000 Euro/Monat nicht mehr leben kannst. Sondern inzwischen vielleicht eigentlich 1500 benötigen würdest.

    Und wenn Du ausserdem auch noch die Steuer berücksichtigt hättest, würdest Du sehen, dass Du (nach heutiger Rechtslage) schon ca. 7% Rendite auf Dein Kapital erzielen müsstest, damit Deine 5% übrig bleiben, die Du für Deinen Lebensunterhalt brauchst. Zumindest heute halte ich 7% als Gesamt-Rendite schon für äusserst „sportlich“. Was in 20 Jahren ist, weiss ich natürlich auch nicht.

    Und ich weiss auch nicht, wie sich die Inflation entwickeln wird, und die Steuern, und die Renditen und die Dinge, die ich noch gar nicht kenne. Natürlich nicht.
    Aber das deshalb alles zu ignorieren, halte ich für falsch und gefährlich. Ich verfolge da lieber den Ansatz, alles unter den heutigen Voraussetzungen, mit den heutigen Zahlen so genau wie möglich zu kalkulieren. Inkl. heutiger Inflation, heutigen Steuern, Versicherungen, Renditen, etc.
    Und diese Kalkulation gilt es dann eben ständig an die realen Gegebenheiten anzupassen (übrigens ein Thema, dass ich in meinem Buch u.a. im Kapitel „Finanzplan“ etwas näher erläutert habe).
    Und bei mir geht diese Kalkulation ja auch noch weiter. Ich habe den Punkt der finanziellen Freiheit ja bereits erreicht, muss aber im Auge behalten, ob und wie lange ich diesen Zustand denn auch weiterhin halten kann. Und das geht nur mit einer möglichst exakten Kalkulation aller Einflussgrössen. Und wenn die sich ändern, muss das Ganze eben angepasst werden.

    Vielleicht überlegst Du ja noch mal, ob Du Deine Strategie in dieser Hinsicht nicht noch etwas optimieren kannst ?

    Gruß, Der Privatier

  3. Hallo Rico,
    ich sehe bei dieser Vorgehensweise gar keinen so großen Unterschied. Ich denke du zäumst das Pferd einmal von der anderen Seite auf.
    Ich habe in meinem Beitrag dargestellt, wieviel Vermögen aufgebaut werden muss um eine bestimmte „Kapitalrente“ aus passivem Einkommen, ab dem 65 Lebensjahr zu erhalten. Die höhe dieser Rente sollte sich ebenfalls an den Ausgaben oder dem monatlichen Kapitalbedarf orientieren.
    Bei deiner Rechnung gehst du von der anderen Seite heran und berechnest wieviele Jahre du bei deiner aktuellen Sparquote sparen musst, damit die Verzinsung deine Ausgaben übersteigt und du so gesehen aufhören könntest einer aktiven Arbeit nachzugehen. Wenn man diese beiden Rechnungen zusammenwirft kommt wahrscheinlich fast das selbe heraus, da für deine 5% Rendite mit denen du deine Ausaben deckst ebenfalls ein Vermögen X vorhanden sein muss welches ich in meinem Beitrag quantifiziere. Ich schließe ja nicht aus, das der Betrag X auch vor oder erst nach dem 65. Lebensjahr erreicht werden kann. Der große Unterschied den ich drin habe ist die Berücksichtigung von Steuern und Inflation auf heutigem Niveau.
    Mir ist klar, dass sich die genauen Zahlen noch viele male ändern werden in den nächsten Jahren. Ich bin aber davon überzeugt, dass man näher an der Realität liegt wenn man mit heutigen Werten rechnet, als wenn man die beiden Werte einfach ignoriert.
    Der Privatier hat richtig angemerkt, dass fast 7% nominal erreicht werden müssten um nach heutigen Steuern auf 5% zu kommen, darüber hinaus muss ab dem Zeitpunkt ab dem das aktive Einkommen wegfällt auch noch die Inflation verdient werden, da du sonst dein Vermögen wieder verbrauchst. Genaugenommen brauchst du 5% + Steuersatz in der Zukunft + Inflation in der Zukunft. Nach heutigen Werten also 9-10%.

    Trotzdem hast du mit deinen Aussagen recht, dass die Sparquote eine sehr wichtige Rolle spielt. Ich denke dein Beitrag ist eine gute Ergänzung meines Beitrags. Du gehst den zweiten Schritt, ich habe aufgezeigt wieviel Vermögen vorhanden sein muss um finanziell frei zu sein, du zeigst wie man es schafft dieses Vermögen zu erreichen.

    Viele Grüße
    Jan

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