Ein Totalverlust in wenigen Tagen ist an der Börse eher unrealistisch? Wohl kaum! Mit meinem besonderen Tech-Investment GetGoods bin ich derzeit Zeuge der wohl wildesten Achterbahnfahrt seit dem Platzen der New Economy Blase. Vor einer Woche hat Getgoods ein Umsatzwachstum von 49 Prozent verkündet. Aktueller Buchwert meiner Position: -86 Prozent. Kurs: 0,45 Cents nach dem Tagestief von 0,31 Cents. Vor zwei Tagen wurde für GetGoods noch 1,80 Euro bezahlt. Vor zwei Jahren sogar 3-5 Euro. Doch was nun? Kaufen wenn die Kanonen donnern oder retten, was zu retten ist?

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Die Fakten lassen viel Raum zur Spekulation: Offiziell von der IR-Abteilung gibt es derzeit wenig zu hören. Nach der letzten öffentlichen Ticker-Meldung über den Umsatzsprung ohne weitere Details stellt sich das Unternehmen praktisch tot. Anrufe werden nach mehrheitlicher Aussage nicht entgegen genommen. Offizielle Zahlen sollen am 25. November folgen. Derzeit verzögere sich die Veröffentlichung durch die bisherige Akquise-Tätigkeit und das immer noch unbedarfte Accounting.

Was die Gerüchte anheizt, sind verschiedene Häppchen:

  • GetGoods wurde angeblich wegen mangelnder Qualität von den Trusted Shops ausgeschlossen
  • Die Kreditlinien für Lieferanten wurden angeblich gestrichen

Gleichzeitig wurden in den letzten Wochen massiv Zukäufe getätigt. Laut Sharedeals war GetGoods sogar in einer relativ komfortablen Kassenlage mit teilweise bis zu 9 Millionen Euro Barmitteln. ChannelPartner berichtet zudem von Schwierigkeiten mit dem Geschäftsführer. Laut GetGoods wurde die Partnerschaft mit TrustedShops selbst gekündigt, Details für die Gründe nannte man aber noch keine.

Aktienkurs 1 Jahr GetGoods

GetGoods kaufen oder verkaufen? Was kann man nun tun?

Ich bin derzeit immer noch vollständig in GetGoods investiert. Entsprechend erhoffe ich mir, dass sich die Gerüchte aufklären und das Unternehmen in den nächsten Tagen die Lage wieder bessern kann. Derzeit handle ich nach zwei Grundsätzen:

  • Nicht der Markt entscheidet, wie teuer ich meine Anteile verkaufe, sondern ich selbst.
  • Kaufe nicht nach, wenn du es nicht vorher in deiner Strategie berücksichtigt hattest.

Für mich war GetGoods von Beginn an eher spekulativer Natur. Neben Amazon gibt es im deutschen Raum praktisch keine börsennotierten Onlineshops. Entfernt könnte man noch Metro hinzuzählen, doch ist das Geschäftskonzept sehr verschieden. GetGoods kommt hingegen aus der reinen Online-Nische im klassischen Computer- und Handy-Verkauf und wollte von dort wachsen.

Ein Nachkauf kommt für mich nicht in Frage, weil ich meine maximale Summe bereits investiert habe. Egal wie sehr ich an das Unternehmen glaube, zusätzliches Geld wird hier nicht in die Hand genommen.

Ein Verkauf mach derzeit noch keinen Sinn, weil der Markt ausschließlich aus Gerüchten besteht. Wie jeder weiß, können Gerüchte stimmen — sie können aber auch falsch sein. In jedem Fall beweist die IR-Abteilung derzeit kein Gefühl für eine angemessene Kommunikation mit den Aktionären. Dennoch muss man im Hinterkopf behalten, dass GetGoods sehr klein ist: Die Priorität im Unternehmen sollte daher vor allem auf den Geschäftsabläufen liegen. Ein beruhigter Aktionär bringt das Unternehmen grundsätzlich erstmal keinen Gewinn.

Die GetGoods Anleihe könnte eine reizvolle Alternative für Investoren darstellen. Derzeit notiert sie zu 13 Prozent des Nennwerts. Bei einem Koupon von 7,75 Prozent wären damit 60 Prozent Rendite pro Jahr möglich. Ob GetGoods den Koupon allerdings zahlen kann, wird sich am 16. November herausstellen, denn da ist der nächste Zinstermin. Das Chance-Risiko-Verhältnis scheint hier also durchaus attraktiv.

Fazit

In meinem Aktiendepot liegt GetGoods derzeit wie Blei. Mittlerweile schwindet aber deren Auswirkung mit dem sinkenden Kurs und damit auch dem geringeren Depot-Anteil. Überrascht bin ich aber über mich selbst: Obwohl mir der aktuelle Verlust durchaus zu denken gibt, lässt mich die Kursentwicklung relativ kalt. Vielmehr beobachte ich die Kommentare im Web und die panische Reaktion der Anleger.

Dies mag wohl auch damit zusammen hängen, dass ich eine angemessene Positionsgröße für meine Werte gefunden habe. Zudem gibt mir meine Anlagestrategie klar vor, was ich tun sollte. Dadurch stellen sich Fragen, was zu tun ist, in aktuellen Panik-Situationen wie dieser erst gar nicht.

Das war allerdings nicht immer so: Ich kann mich erinnern, als ich in meinen Anfangszeiten eine Position mit meinem gesamten Kapital eröffnet habe. Da haben mich schon Verluste von 10 Prozent sehr nervös gemacht, sodass ich später auch die Reißleine gezogen habe. Im Nachhinein wäre ich bis jetzt beim dreifachen Einstandskurs gelandet. Aber wem nützt es, wenn die schwachen Nerven einen schon vorher aus der Position treiben?

Ich teile diese Informationen, weil ich denke, dass diese Entwicklung auch für Einsteiger eine spannende Erfahrung ist. Es ist immer gut, einen Crash direkt mitzuerleben, weil man nur dann seine eigenen Fähigkeiten einzuschätzen lernt. Am besten macht man diese Erfahrung frühzeitig, sodass die Verluste langfristig nicht zu schwer wiegen. Gleichzeitig bin ich gespannt, wie sich die nächsten Tage entwickeln werden. Zuletzt soll dieses Beispiel auch zeigen, dass niemand immer richtig liegen kann. Verluste müssen immer einkalkuliert werden.

Update 14.11.2013:

Nachdem einige Gerüchte die Runde gemacht haben, hat GetGoods nun offiziell Insolvenz angemeldet. Damit sind die Anteilsscheine nur noch wenige Cents wert und ich habe meinen ersten Totalverlust nach fast 8 Jahren an der Börse.

Was kann ich davon lernen?

Offenbar gibt es immer jemanden, der es schon vorher weiß — ansonsten wäre der Kurs wohl nicht schon vorher so stark eingebrochen. Damit wird die eigentliche Position der Aktionäre schnell deutlich: Als Geldgeber gern gesehen, aber wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann kann man sehen, wo man bleibt.

Mich persönlich kostet der Verlust nicht meine Existenz — aber es macht mir erstmal bewusst, wie gefährlich der Spekulative Sektor abseits vom Prime Standard ist: Informationspflichten sind kaum gegeben und auch Insider-Handel wird hier wohl kaum zu negativen Folgen führen. Dabei könnte ich mir durchaus vorstellen, dass einige Hauptaktionäre die letzten Wochen schon fleißig versucht haben zu retten was zu retten ist.

Meine Strategie zum Nachkaufen beweist an diesem Beispiel erstmals in aller Deutlichkeit, wie gefährlich es ausgehen kann. Hätte ich meine Vorsätze über Bord geworfen und das vermeintliche Schnäppchen nochmal aufgestockt, wäre der Verlust noch schmerzhafter gewesen. Natürlich hätte sich auch alles als falsch herausstellen können — doch gerade dann, wenn man in der Nahrungskette ganz am Ende steht, sollte man zu erst einmal sicherstellen, dass man überhaupt etwas zu futtern für den Winter sichern kann ohne selbst gefressen zu werden.

Wie geht es weiter?

Ich werde über die Entwicklung der Insolvenz weiter berichten. Mir ist es wichtig, Aktionäre darüber zu informieren, wie das Leben nach dem Tod(talverlust) aussieht. Es hängen auch 300 Mitarbeiter am Unternehmen, die nun ebenfalls neue Weg gehen müssen. Man darf also gespannt sein.

10 KOMMENTARE

  1. Ignorieren, links liegen lassen, so tun als ob alles verloren ist und nicht mehr nachdenken und die Zeit für sich arbeiten lassen.

  2. Aushändigen lassen und die Badezimmerdecke damit tapezieren. Sieht sehr dekorativ aus.

    P.S. Unsere Tapete heißt Bremer Vulkan und erinnert uns immer daran, die Zahlen zu kontrollieren.

    • Gute Idee 🙂 Ich bevorzuge es aber, mich mit positiven Beispielen zu motivieren. Aus Misserfolgen lernt man, aber man muss sie sich ja nicht ständig vor die Nase halten!

  3. Ich habe schon seit dem 24.09.2013 (meine Kto Nr. gemeldet) auf eine Rückzahlung meiner Vorkasse gewartet. Nun der Brief vom Insolvenzverwalter…

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