Optionsscheine sind unter „ernsthaften“ Investoren häufig als Zocker-Instrumente verschrien. Bis vor einigen Monaten habe auch ich diese Meinung vertreten und Optionsscheine gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Doch sind Optionsscheine wirklich so schlecht wie ihr ruf? Seitdem ich mich auch mit Immobilien zur Vermietung beschäftige, erscheinen Derivate in einem ganz anderen Licht: Tatsächlich bieten sie das notwendige Werkzeug, um als Investor dem Aktienmarkt nicht immer willenlos ausgeliefert zu sein.

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Bevor wir die Macht der Derivate genauer betrachten, möchte ich aber noch einmal auf das Immobilien-Beispiel zurückkommen, dass mir die Augen geöffnet hat. Damit werde ich sofort den Bezug zu den Aktien-Investoren herstellen.

Wer eine Wohnung für 100.000 Euro kaufen will, braucht dafür nur 20.000 Euro eigenes Kapital. Investoren profitieren von der Macht des Hebels und bekommen dafür günstige Immobilienkredite und Steuervorteile. Immobilien-Anleger profitieren also gleich von mehreren Vorteilen:

  • Steuerermäßigungen
  • Performance-Gewinn durch Hebelwirkung

Doch wer für 100.000 Euro Aktien kaufen will und dafür von einer Bank einen Kredit von 80.000 Euro beantragt, wird nur ein müdes lächeln ernten. Aktieninvestoren bleibt der Vorteil des Hebels durch Kreditfinanzierung offenbar verwehrt. Zusätzlich können die Zinsen für Börsenkredite nicht steuerlich angerechnet werden. Als Aktien-Investoren erleidest du also drei entscheidende Nachteile:

  • Du zahlst hohe Steuern auf deine Kursgewinne und Dividenden,
  • du bekommst keine Steuerermäßigungen für den Handel am Kapitalmarkt
  • du bekommst nur schwer einen Kredit von einer Bank.

Doch gibt es einen Weg diese Probleme zu umschiffen oder gar in den Genuss der gleichen Vorteile zu gelangen?

Die Antwort lautet: Derivate wie Optionen oder Optionsscheine. Sie ermöglichen genau das: Investieren in Wertpapiere mit Kredit ohne jemals bei einer Bank einen Kredit beantragt zu haben. Damit erhalten auch Investoren an der Börse die Chance von der Hebelwirkung zu profitieren. Sie erhalten einen günstigen Wertpapierkredit und können die Zinsen dafür steuerlich geltend machen. Doch wie funktioniert das? Kann man mit Derivaten tatsächlich langfristig an der Börse investieren? Worauf sollte man achten?

Der Zauber von Call-Optionen

Eine Call-Option gibt dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht, ein Wertpapier zu einem festgelegten Preis zu kaufen. Eine Put-Option gibt dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht, ein Wertpapier zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. Dieser Vertrag gilt für eine vorher definierte, maximale Laufzeit.

Hinweis: Grundsätzlich sind Optionen und Optionsscheine nicht das gleiche, aber ihre grundsätzliche Funktionsweise ist identisch. Da für die meisten Optionsscheine für den Einstieg leichter handelbar sind, bleibe ich nachfolgend bei diesem Beispiel. Broker, bei denen sie Angeboten werden, findest du im Broker-Vergleich.

Mit Optionsscheinen und wenig Geld von Aktienkursen profitieren

Wer zum Beispiel erwartet, das Adidas (aktuell 91 Euro) in den nächsten 12 Monaten auf 100 Euro steigt, geht von einem Zuwachs von 9,8 % pro Jahr aus. Zunächst gibt es nun die klassische Möglichkeit, Aktien von Adidas für 91 Euro zu erwerben. Bei 100 Aktien wären dafür 9.100 Euro erforderlich. Der Gewinn wäre in einem Jahr bei einem Verkauf zum Kurs von 100 ein Betrag von 900 Euro.

Der Immobilien-Investor kann nun statt des vollen Preises einen Teil über Kredite finanzieren. Dafür erhält er trotzdem die volle Kontrolle über das Haus. Aktien-Investoren könnten ebenfalls einen teuren Privatkredit aufnehmen und dafür die Aktien erwerben. In den meisten Fällen ist dieses Vorgehen aber nicht ratsam und unbedingt zu vermeiden!

Mit minimalem Einsatz von Aktien-Kursentwicklungen profitieren

Wer trotzdem an der Kursentwicklung profitieren möchte, ohne den gesamten Betrag zu bezahlen, der kann sich mit einem Call-Optionsschein das Recht kaufen, Adidas-Anteile zu einem bestimmten Kurswert zu erwerben. Dieser Kurs ist der Basiswert oder „Strike“. Erwirbt man statt der Aktien 100 Optionen mit Basiswert 90 Euro, werden diese je nach Laufzeit mit etwa 1.00 bis 150 Euro zu Buche schlagen. Man kann nun für einen Bruchteil der Gesamtsumme an der Kursentwicklung teilhaben.

Wenn Adidas auf 100 Euro steigt, erhöht sich der Wert des Optionsscheins um die Differenz auf 10 Euro. Man kann nun theoretisch von seinem Recht Gebrauch machen, die Aktien für 90 Euro kaufen sie direkt für 100 Euro wieder verkaufen. In der Praxis wird die Kursdifferenz einfach ausgezahlt, sodass für die 100 Optionsscheine nun 1.000 Euro auf das Konto überwiesen werden.

Mit nur 100 Euro Einsatz hat man nun 900 Euro Gewinn erzielt — den gleichen Gewinn, der auch beim Kauf der Aktien für 9100 Euro generiert worden wäre. Diesen Effekt nennt man Hebelwirkung und er entspricht fast dem gleichen Ergebnis wie, wenn man sich die 9000 Euro als Kredit geliehen hätte und direkt die Wertpapiere gekauft hätte.

Wäre der Kurs der Aktie jedoch unter den Basispreis gefallen, wäre der Optionsschein faktisch wertlos geworden. Warum sollte man sich schließlich die Aktien für 90 Euro liefern lassen, wenn sie an der Börse für weniger Geld zu bekommen sind? Vor diesem Effekt wird häufig mit Totalverlust gewarnt. Doch tatsächlich ist dieser Totalverlust nur der Verlust, den wir mindestens hätten realisieren müssen, wenn wir beim Kauf der Aktien einen Stop-Loss bei 90 Euro gesetzt hätten.

Die Angst vor diesem Verlust ist also bei der richtigen Wahl der Positionsgröße unbegründet. Sie ergibt sich vor allem, weil sich Anleger nicht bewusst sind, dass sie mit diesen 100 Euro tatsächlich Aktien im Wert von 9.000 Euro bewegen. Nur, dass sie jetzt nur noch den Betrag einsetzen müssen, den sie tatsächlich bereit wären zu verlieren.

Hätte man stattdessen für die gesamten 9.000 Euro Optionsscheine erworben, wäre das der Investition von 9000 * 90 = 810.000 Euro gleich gekommen! Niemand würde das wohl tun ohne zu wissen, auf was er sich dabei einlässt.

Vorteile und Nachteile von Optionsscheinen

Nun hat jede Strategie ihre Vor- und Nachteile. Der Vorteil dürfte zu diesem Zeitpunkt auf der Hand liegen: Wir benötigen nur einen Bruchteil des Kapitals, um im gleichen Maße an der Kursentwicklung teilhaben zu können.

Der zweite Vorteil ist nicht sofort offensichtlich: Mit der Wahl des Basis-Preises ist auch der Stop-Loss im klassischen Sinne definiert, bei dem man sonst die Aktien verkauft hätte. Allerdings ist dieser Kurs garantiert. Der maximale Verlust ist genau definiert.

Die Nachteile sind nicht ganz so offensichtlich: Der größte Haken für Dividenden-Investoren ist wohl, dass Optionsscheine nicht von den Dividenden profitieren. Schließlich besitzen wir die Aktien noch nicht, und haben damit auch noch nicht das Recht auf die Gewinnbeteiligung des Unternehmens.

Der zweite Nachteil ist die fest definierte Laufzeit. Ihre Länge hat Einfluss darauf, wie hoch die Prämie für den Optionsschein ausfällt (Zeitwert). Dadurch können sie im Vergleich zum direkten Kauf der Aktie auch relativ teuer sein. Vergleicht man diese Kosten aber mit der Finanzierung über einen Kredit, wiegt sich dieser Nachteil wieder etwas auf. Denn auch für Kredite werden Zinsen fällig und sie müssen zu einem bestimmten Termin getilgt werden.

Fazit

Mit diesem kleinen Beispiel wollte ich aufzeigen, dass Optionsscheine an sich kein Teufelszeug sind. Sie können — richtig eingesetzt — einem Investor viele neue Möglichkeiten eröffnen. Mit Put-Optionsscheinen, mit denen ich schon vor längerer Zeit einmal experimentiert habe, lassen sich Absicherungen für das Aktiendepot umsetzen. Beim Einsatz von reinen Optionen erhöht sich das Repertoire für mögliche Strategien nochmals deutlich.

Mit reiner Spekulation haben diese Mittel wenig zu tun. Wie mit vielen Werkzeugen kommt es auch hier darauf an, dass man sie richtig einzusetzen weiß. Auch steht ein verantwortungsvoller Umgang an erster Stelle, um sich und andere nicht damit zu gefährden.

Berücksichtigt man dieses Wissen, lässt sich allein mit Call-Optionsscheinen der Spielraum von Investoren deutlich erhöhen. So könnten in Baisse-Zeiten mit geringerem Kapitaleinsatz stark gefallene Aktien gekauft werden. Oder es lässt sich durch einen geringeren Einsatz je Position eine bessere Diversifizierung des Depots umsetzen. In bullischen Börsenzeiten können zudem mit geringem Cash-Bedarf zusätzliche Chance wahrgenommen werden, ohne bestehende Positionen auflösen zu müssen.

In einem weiteren Artikel werde ich eine einfache Call-Strategie vorstellen, mit der sich das Risiko durch den Handel mit Optionsscheinen gegenüber einer Direktinvestition in Aktien klar reduzieren lässt — ohne sich die Chancen auf den Gewinn zu nehmen. Registriere dich am besten kostenlos, um keinen Beitrag zu verpassen.

4 KOMMENTARE

  1. Hallo Rico,

    ein interessanter Artikel mit einem spannenden Thema.

    Ich glaube es gibt einen großen Unterschied zwischen Immobilien und Aktien und warum man bei der Bank für das eine einen Kredit bekommt und für das andere nicht:

    Immobilien sind im Regelfall beständig und planbar, da es hier wenig Schwankungen gibt und durch die Mieteinnahme jeden Monat Geld vorhanden ist für Zins und Tilgung.
    Aktien hingegen (zumindest der Aktienkurs und um den geht es hier letztendlich ja) sind nicht planbar und kalkulierbar. Zudem gibt es hier keine monatlichen Einnahmen, mit denen Zins und Tilgung bezahlt werden können. Dividenden reichen bei 97% der Unternehmen auch nicht dafür aus.

    gehebelte Produkte: ich freue mich auf die folgende Wette: ich wette, dass Du auf Sicht von 2 Jahren mit gehebelten Produkte (Optionsscheine usw) keine Gewinne erwirtschaften wirst.
    Hierfür werfe ich gerne 100 Euro in den Topf. Wir können das auch gerne noch erhöhen, da die Chancen für mich bei dieser Wette so unglaublich gut stehen. Bedingung ist (damit man einen Zufallstreffer ausschließen kann), dass Du mindestens 5 Produkte in den 2 Jahren für einen relevanten Zeitraum besessen hast.
    Was ich damit meine: die Chancen, dass Du mit diesen Produkte Geld verdienen kannst, liegen meiner Meinung nach im Zufallsbereich. Die Bank ist übrigens schlau genug das zu wissen und Dir deshalb dafür keinen vergleichbaren Kredit zu geben…

    • Du hast Recht, der Unterschied zwischen Aktien und Immobilien ist enorm. Das wollte ich auch nicht in Frage stellen.

      Die vorgeschlagene Wette möchte ich nicht antreten. (Derzeit steht meine Erfolgsquote 50:50). In den meisten Fällen ist der Erwartungswert bei Optionsscheinen negativ, wenn man auf der Käufer-Seite ist. Sowohl Zeit als auch Kurs-Chancen arbeiten gegen den Käufer.

      Dennoch kann man mit Optionsscheinen, die weit im Geld sind, die Kosten für den Zeitwert stark reduzieren. Ich werde das im nächsten Beitrag genauer erläutern.

      Noch besser stehen die Chancen als Stillhalter. Da arbeite ich mich aber gerade erst ein und werde über meine Erkenntnisse dazu in den nächsten Monaten schrittweise berichten.

  2. Ich glaube grs dass der Unterschied in der Behaltedauer liegt! Immobilien hält man, schon alleine aus steuerlichen Gründen für eine sehr sehr lange Zeit, Aktien, vor allem Qualität und Blue Chips sehr lange und Optis sind eben nur für kurzfristige Veranlagungen geeignet!

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