Wer sich in Deutschland mit passivem Einkommen beschäftigt, stößt unweigerlich auf zwei Aussagen, die wie ein Naturgesetz auf allen Finanzblogs wiederholt werden: Vermögen kann man nur langfristig aufbauen und die Dividenden-Strategie ist der sicherste und einfachste Weg zum passiven Einkommen. In diesem Artikel befassen wir uns mit der Dividenden-Strategie: Tatsächlich kommt es mir vor, als ob die Privat-Investoren, Blogger und selbsternannten Aktienprofis alle einem Trend hinterher laufen, der sich in Zukunft als fataler Fehler herausstellen könnte.
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Aufgreifen möchte ich das Thema, weil kaum noch Alternativen zu dieser Strategie diskutiert werden. Das verleitet schnell zu der Annahme, dass Dividenden den einzigen Weg zum Vermögensaufbau darstellen. Warnzeichen für den Herdentrieb sind folgende Punkte:
- Es werden fast ausschließlich immer die gleichen Aktien empfohlen — nämlich die sogenannten Dividenden-Aristokraten.
- Es wird dem Investor abgesprochen, in die Zukunft sehen zu können. Also müsse man sich auf Unternehmen konzentrieren, die langfristig stabile Geschäftsmodelle aufweisen können.
- Dividenden-Aktien wird eine magische Über-Performance durch die Kraft der reinvestierten Dividenden nachgesagt.
Was ist dran an den Mythen und lässt sich nur damit sicher Vermögen bilden?
Ich bin mir bewusst, dass ich mit meiner Diskussion dem einen oder anderen wohl auf die Füße treten werden. Das ist mir auch schon passiert, als ich dargestellt habe, dass Dividenden an sich eher nachteilig für die Vermögensbildung sind. Aber ich denke, dass eine kritische Herangehensweise entscheidend für den Erfolg eines Investors ist.
Das Klumpenrisiko Dividenden-Aristokraten
Dividenden-Aristokraten sind Unternehmen, die über einen sehr langen Zeitraum von teilweise mehreren Jahrzehnten regelmäßig Dividenden gezahlt und auch erhöht haben. Die Theorie sagt nun, dass nur diese Unternehmen bewiesen hätten, dass ihr Geschäftsmodell langfristig stabil ist. Denn nur Firmen mit gutem Geschäftsmodell können tatsächlich regelmäßig ihre Aktionäre am Gewinn beteiligen.
Ob das stimmt, wird spätestens dann fraglich, wenn man den Spieß umdreht: Wieviele Firmen gibt es denn, die ohne Dividenden-Zahlungen langfristig erfolgreich waren? Das bekannteste Beispiel ist wohl das Unternehmen von Warren Buffet: Berkshire Harthaway, das noch nie eine Dividende gezahlt hat und dennoch überaus erfolgreich ist.
Ansonsten wird einmal schnell klar, dass es schwer wird, das Gegenteil zu beweisen — schlicht weil natürlich nur noch in die Unternehmen investiert wird, die heute tatsächlich noch existieren. Aber ist ihre reine Existenz ein Garant dafür, dass sie auch in Zukunft die beste Wahl darstellen werden?
Laut CreditRiskMonitor gibt es derzeit knapp 80.000 öffentlich handelbare Unternehmen weltweit. Warum sollte man sich also gerade auf diese 100 Dividenden-Aristokraten versteifen?
Hinzu kommt, dass die meisten Dividenden-Aristokraten aus den USA kommen, sodass neben der technischen Auswahl gleichzeitig ein regionales Klumpenrisiko hinzu kommt. Zwar sind die Unternehmen international aufgestellt, niemand garantiert aber, dass sich in den USA Gesetze ändern, dass Enteignungen stattfinden oder ausländische Investoren verboten oder stark eingeschränkt werden.
Glaskugel oder nicht?
Dass niemand in die Zukunft schauen kann, bestätigen fast alle Investoren. Niemand weiß, wie sich die Kurse in Zukunft entwickeln werden. Jeder kennt die Aussage, dass die vergangene Performance keinen Schluss auf die zukünftige Performance eines Unternehmens zulässt.
Warum sollte das gerade bei Dividenden-Aristokraten anders sein? Nur weil eine handvoll Unternehmen lange genug überlebt haben, um in diese Liste zu kommen, lässt sich daraus wohl kaum schließen, dass sie auch die nächsten 50 Jahre in dieser Liste sein werden.
Erfolgreich wären mit den Unternehmen vor allem die Investoren gewesen, die schon vor 20 Jahren in McDonalds, Coca Cola oder Colgate-Palmolive investiert hätten. Offen bleibt aber die Frage, ob diese vergangene Performance sich auch tatsächlich in die Zukunft projizieren lässt.
Haben Dividenden-Aktien eine bessere Performance?
Immer wieder gern wird auch der dritte Mythos erzählt: Dividenden-Aktien haben regelmäßig eine bessere Performance als Unternehmen, die keine Dividende zahlen. Doch auch dafür gibt es einfache Erklärungen:
Wahrscheinlich ist, dass die Steuer in den Kurs eingepreist wird. Da Dividenden versteuert werden müssen, werden Investoren eine höhere Rendite fordern. Bei allen Performance-Berechnungen wird dieser Effekt aber nicht berücksichtigt. Die tatsächliche Performance trotz reinvestierter Dividenden dürfte also unter jener liegen, welche offizielle Berechnungen versprechen.
Dieses Argument habe ich auch in einem früheren Artikel schon einmal aufgegriffen. Das Problem: Durch die regelmäßigen Ausschüttungen wird schon während der Ansparzeit für die Steuern ein Teil des Kapitals wieder entnommen. Dieses Kapital steht anschließend nicht mehr zur Vermögensbildung zur Verfügung. Die Hoffnung ist, dass die angebliche Über-Performance diesen Nachteil ausgleicht.
Eine zweite Erklärung ist, dass wir hier auf das Henne-Ei-Problem treffen: Wer war zuerst da? Ich bin der Meinung, dass nicht Dividenden auf eine gute Performance hinweisen, sondern dass die Dividenden erst eine Folge der guten Performance sind. Die Frage ist nur, wie lang dieser Effekt nachklingt.
Eine dritte Erklärung ist, dass Dividenden-Aristokraten ihr stärkstes Wachstum bereits hinter sich haben. Der Markt ist gesättigt und das generierte freie Kapital kann kaum noch zur Erweiterung des Geschäfts genutzt werden. Also wird es ausgeschüttet. Das Unternehmen wächst nur noch mit dem Markt, sofern es nicht durch Zukäufe und Investitionen ständig neue Wachstumsmärkte erschließt. In der Folge heißt das aber auch, dass Dividenden-Aristokraten eher keine Chance mehr auf extrem gute Kursentwicklungen haben, weil die Phantasie weg ist.
Dividenden-Strategie für Besserverdiener
Fast durchgängig sprechen die Verfechter der Dividenden-Strategie davon, dass sie als Mittelklasse der Gesellschaft kein besonders hohen Einkommen vorweisen und gezielt sparen. Tatsächlich ist es aber so, dass man sich die Dividenden-Strategie leisten können muss. Wer schon jetzt zwei oder drei Jobs hat, um die täglichen Ausgaben schultern zu können, hat nur wenig Luft, um ein Drittel oder die Hälfte seines Einkommens in Aktien investieren zu können.
Ich behaupte sogar, dass die meisten Dividenden-Sparer sich mental arm rechnen. Zwar mögen sie bewusst mit Geld umgehen und nicht „verschwenderisch“ leben, aber in der Realität sind sie doch viele Euros besser gestellt als die Mehrzahl der arbeitenden Bevölkerung. Auf jeden Fall bin ich auf den klassischen Friseur oder Bauarbeiter gespannt, der nebenbei in Dividenden-Aktien an der Börse investiert.
Fazit
Nach diesen Kritikpunkten stellt sich natürlich die Frage: Was tun? Dividenden-Aristokraten helfen natürlich, die endlose Auswahl an Unternehmen auf ein überschaubares Maß zu reduzieren. Die Frage ist, ob diese Auswahl tatsächlich Unternehmen umfasst, die für das Ziel der Vermögensbildung förderlich sind.
Ich würde die Dividenden-Strategie als Risiko-vermeidende Methode der Vermögensbildung bezeichnen. Mit der Konzentration auf altbewährtes, klassische Branchen und langfristig stabile Geschäftsmodelle sinkt die Gefahr einer Niete. Geringeres Risiko heißt aber eben auch geringe Rendite.
Doch was brauchen wir tatsächlich, um im Vermögensaufbau erfolgreich zu sein? Natürlich dürfen wir keine großen Fehler machen. Aber Fehlervermeidung und die Fokussierung auf „sichere“ Werte verhindern, dass man sich Chancen eröffnet. Chancen, die dringend notwendig sind, um hohe Renditen zu erreichen und ein echtes Vermögen zu bilden.
Ich habe meine eigene Anlagestrategie daher mittlerweile in drei Bereiche getrennt.
- Klassische Dividenden-Werte mit stabilem Geschäft
- Wachstumswerte mit großen Chancen, aber auch höherem Ausfallrisiko
- Optionsstrategien zur Generierung kurzfristigen Einkommens und abfedern von Marktschwankungen (Hedging)
Der Vorteil ist, dass sich diese Bereiche auch in verschiedenen Aktiendepots pflegen lassen. So verwalte ich meine Dividenden-Aktien bisher überwiegend bei der DAB Bank, während ich die Optionsstrategien bei CapTrader umsetze.
Grundsätzlich sollte man folgendes bedenken: Es gibt keine Investition ohne Fehler und ohne Risiko. Regelmäßige Dividenden vermitteln genau so lange Sicherheit, bis sie gekürzt oder gestrichen werden. Sichere Dividenden sind im Aktienkurs eingepreist, man bezahlt diese Sicherheit also mit — und das kostet langfristig wieder Rendite. Chancen eröffnen sich dann, wenn Unsicherheit besteht. Man gewinnt, wenn man diese Unsicherheit zu seinem Vorteil zu nutzen weiß. So einfach die Theorie, so schwer ist doch die Praxis.
Quelle Titelbild: LifeOfPix.



